Eine Kurzgeschichte darüber, wie die Beschränkung auf eine Kamera und eine Brennweite während eines Sabbaticals in Südwesteuropa meine Lust an der Fotografie wieder entfachte.
Schneller und immer weiter. Die Gesellschaft ist heutzutage schnelllebiger als je zuvor. Trends kommen und gehen. In den sozialen Medien muss es immer krasser sein, immer mehr herausstechen. Es muss immer voran gehen. Manchmal ist es aber sinnvoll einen Schritt zurück zu gehen, um wirklich voran zu kommen.
Ich steckte in einem kreativen Loch. Instagram mit seinen vielen Neuerungen und dem starken Fokus auf Stories und Reels hat mir zu einem gewissen Grad die Lust genommen, neue Bilder zu erstellen und hochzuladen. Die Interaktionen gingen zurück und auch neue Inspirationen waren zwischen den unzähligen Koch- und Hundevideos nur noch schwer zu finden. Irgendwie war auf einmal alles langweilig und austauschbar geworden. Auch wenn Instagram niemals die Hauptquelle von Inspiration sein sollte, so ist dieses Medium über die Jahre doch ein wichtiger Teil meiner kreativen Arbeit geworden.
Aber wo war die Lust Neues mit der Kamera festzuhalten? Wo war das Kribbeln in den Fingern, wenn man diese eine Szene sieht? Wo war die Begeisterung für das, was man doch so unendlich gerne macht? Und eine noch viel wichtigere Frage: Wie kommt diese Begeisterung zurück?
Manchmal ist es leichter als man denkt. Aber erst einmal von Anfang an.
Normalerweise kaufe ich mein Equipment überwiegend online. Das hat verschiedene Gründe aber insbesondere wegen des unkomplizierten Umtauschs bei Mängeln oder bei Nichtgefallen (das kommt doch ab und an mal vor, obwohl man stundenlang Videos geguckt und Reviews gelesen hat). Mit der Fujifilm X100V war allerdings alles anders.
Als ich Ende Februar 2020 auf einem Städtetrip im sehr schönen Deventer in den Niederlanden war, war die X100V gerade ganz frisch auf dem Markt. Eigentlich war sie noch nirgends verfügbar aber ich habe damals stark nachgedacht, sie mir vorzubestellen. Ich hatte einige Zeit zuvor bereits kurzzeitig einmal die X100F und mochte es sehr, eine kompakte Kamera zu besitzen, die eine kompromisslose Bildqualität bietet.
Beim Spaziergang durch Deventer sind mir zum einen die wirklich sehr gut sortierten Käseläden aufgefallen (irgendwie ein Klischee aber so war es wirklich!) und zum anderen ein kleiner Kameraladen. Je näher ich dem Geschäft kam, desto größer wurden meine Augen. Lag da wirklich eine X100V in der Auslage?
Ich mache es kurz - ja, so war es! Die Entscheidung fiel dann relativ schnell, nachdem ich dem netten Verkäufer gefragt habe, ob die Kamera noch zum Verkauf steht. Und so setzte ich den Spaziergang mit einem breiten Grinsen und einer Tragetasche mit einer silbernen Fujifilm X100V drin fort.
Anders waren auch die Umstände die in der kommenden Zeit folgen sollten, denn die Corona Pandemie nahm ihren Anfang. Und somit wurde meine neue Kamera nicht wie sonst üblich auf Reisen ausgiebig getestet, sondern musste zu Hause in den eigenen vier Wänden oder auf kurzen Spaziergängen ihr Können unter Beweis stellen.
Aber seien wir mal ehrlich - ist die X100V nicht genau dafür optimal? Ist es nicht gerade ihre Kompaktheit und ihre Reduzierung auf das Wesentliche was sie zu einem perfekten Alltagsbegleiter macht?
Die Corona-Zeit dauerte an und an große Reisen war nicht zu denken - so verging das Jahr 2020, so verging das Jahr 2021.
Im Jahr 2022 konnte man dann endlich wieder weitestgehend ohne Einschränkungen reisen und so kam meine Elternzeit dann genau zum richtigen Zeitpunkt. Endlich konnte ich die Zeit mit meiner tollen kleinen Familie in vollen Zügen genießen - ohne andere Ablenkungen.
Meine Frau und ich hatten schon lange eine dreimonatige Reise mit unserem Kind im Campervan durch Südeuropa geplant. Es sollte einmal um die iberische Halbinsel gehen. Für mich als Liebhaber der nordischen Natur und des rauen Klimas eine spannende Abwechslung. Und eine Kamera darf auf so einer Reise sowieso nicht fehlen. Aber sollte ich die Elternzeit wirklich zusätzlich mit intensiver Fotografie und großer Ausrüstung wie sonst üblich verbringen?
Da das Gepäck mit einem kleinen Kind für die Eltern sowieso begrenzt ist (Stichwort Windeln!), musste also auch die Fotoausrüstung auf ein Minimum beschränkt werden. Aber das ist gar nicht mal so leicht, insbesondere wenn man doch sein Fujifilm XF 16-55mm f2.8 so gerne mag - nur ist es leider auch ziemlich groß und schwer.
Und so befasste ich mich immer mehr mit dem Gedanken, mich für drei Monate auf nur eine Brennweite zu beschränken. Nach langer Überlegung habe ich mich auf 23mm (FF 35mm) festgelegt, da ich das als besten Kompromiss sehe. Mit 23mm lässt sich sowohl Landschaft, Street, Porträt als auch allgemeine dokumentarische Fotografie gut umsetzen. Perfekt also für eine Reise mit seiner Familie. Und da für mich insbesondere Kompaktheit ein wichtiger Faktor war, durfte meine über die Jahre sehr lieb gewonnen Fujifilm X100V als einzige Kamera mit auf Reisen gehen.
Sie vereint all das, was ich mir vorab für die Reise gewünscht habe: Die Beschränkung auf eine Brennweite, die Kompaktheit, eine ausreichende Lichtstärke, eine kompromisslose Bildqualität und - ein auch nicht unerheblicher Faktor auf Reisen - die Wetterfestigkeit. Ich habe mich bewusst für eine minimale Ausrüstung entschieden, um mich selbst herauszufordern, aber auch um meine Kreativität zu testen. Die Bildbearbeitung sollte mobil via Lightroom Mobile erfolgen und in der Kamera habe ich vorab Filmrezepte von FujiXWeekly „eingelegt“. Und so nahm mein Fujifilm X100V Project seinen Anfang.
Da mir die Fotografie sehr viel bedeutet, wollte ich mich mit diesem Projekt selbst herausfordern und mich gewissermaßen dazu zwingen, neue Fotos hochzuladen - auch wenn sie wahrscheinlich nicht meinem bisherigen Stil entsprechen. Aber ich habe gemerkt, dass ich mich künstlerisch weiterentwickeln und neue fotografische Wege gehen möchte. Wird es allen gefallen? Ich bezweifle es. Aber es ging mir noch nie um die Anzahl der Likes oder Follower. Nach dem Motto: Bewerte deine Kunst nicht nach Likes in sozialen Medien. Kreiere Dinge, die dich glücklich machen!
Ob das aber eine wirklich gute Idee war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Und so sollte es nun also mit der Fujifilm X100V losgehen - auf eine dreimonatige Reise ohne festes Ziel aber mit grober Richtung. Eine Reise durch den Südwesten Europas. Von Deutschland über Frankreich nach Spanien und Portugal. Ende August 2022 ging es dann endlich los. Nach einem etwas überstürztem Start - man glaubt gar nicht wie lange es dauert einen Campervan für drei Personen zu beladen - ging es erst einmal zu Freunden in die Nähe von Kassel, bevor es weiter Richtung Freiburg ging.
Ich war bereits als Kind mit meinen Eltern einmal hier und konnte mich noch ganz vage erinnern, dass Freiburg eine wirklich schöne und vor allem auch grüne Stadt ist. Und auch wenn Street Photography nicht zu meinen Stärken gehört, sollte dies doch der erste Tag sein, an dem ich mich daran versuche, Bilder zu kreieren, die später auch den Weg auf meine Accounts in den sozialen Medien finden.
Von Anfang an habe ich festgestellt, dass ich mit der X100V eine gewisse Entschleunigung erfahre. Fotos entstehen viel bedachter. Interessante Motive werden anders wahrgenommen. Die Beschränkung auf das Wesentliche, nämlich das Handwerk der Fotografie rückt in den Vordergrund - egal an welchem Ort wir gerade waren.
Sei es im wunderschönen Nordspanien (Baskenland, Kantabrien, Asturien, Galizien) mit seinen kleinen Buchten, imposanten Steilküsten und hohen Bergen in den Picos de Europa oder im eher unberührten Landesinneren von Portugal. Sei es an der bei Surfern äußerst beliebten Atlantikküste rund um Nazaré und Peniche oder im abwechslungsreichen Andalusien ganz im Süden von Spanien. Sei es in der Halbwüste Bardenas Reales im Süden der spanischen autonomen Gemeinschaft Navarra oder in den wunderschönen Pyrenäen.
Die X100V war immer bei mir - in einer kleinen Slingtasche, um den Hals oder einfach in der Hand. Und in Momenten, wo ich mit meiner großen Ausrüstung wohl lange überlegt hätte, ob ich sie bei Temperaturen von teilweise um die 40 Grad Celsius den ganzen Tag mitschleppen möchte, lag die X100V bereits startklar bereit um eingepackt zu werden. Wie ein Smartphone, eine Packung Bonbons oder ein Schlüsselbund - sie gehörte zum ganz normalen Alltags-Gepäck, welches nicht störend und auch nicht schweißtreibend mitgeführt wird.
Und so entstanden unzählige Bilder von meiner kleinen Familie, die wir uns auch noch in Jahren anschauen und glücklich auf diese Zeit zurückblicken werden. Aber es entstanden auch Bilder, die mich in meiner Arbeit als Fotograf weitergebracht haben.
Und auch wenn ich an dieser Stelle einen ausführlichen Reisebericht und Testbericht mit technischen Informationen zur Kamera erstellen könnte, so lasse ich doch lieber die Bilder für sich sprechen. Bilder einer Reise, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. Bilder, die ich wahrscheinlich auch mit vielen anderen Kameras theoretisch so gemacht hätte - oder vielleicht auch nicht.
Was habe ich gelernt während dieser Zeit?
Ich bereue es zu keiner Sekunde, nur meine Fujifilm X100V auf diese dreimonatige Reise mitgenommen zu haben. Auch wenn Kameras im Grunde nur Arbeitsmittel sind, so ist die Fujifilm X100V doch irgendwie mehr. Sie ist wie ein guter Freund - ein Freund den man in- und auswendig kennt. Ein Freund, auf den man sich verlassen kann. Ein Freund, den man gerne bei all seinen Abenteuern dabei hat.
Ja, auch ein Smartphone oder eine andere Kamera hätte diese Bilder machen können. Aber ich hätte sie so nur mit der X100V machen können, weil ich sie dabei hatte und noch viel wichtiger: Weil ich Spaß hatte die Fotos mit der X100V zu machen. Sie fühlt sich einfach nicht nach Arbeit an.
Hätte ich meine komplette Ausrüstung dabei gehabt, hätte ich an vielen Spots sicherlich versucht mit verschiedenen Objektiven, Filtern oder Stativ das perfekt Bild zu kreieren - doch dies ist nicht immer entscheidend.
Manche Fotos konnte ich nicht machen. Hier fehlte mir entweder ein Weitwinkelobjektiv oder aber ein Zoom. Hier aber haben meine Augen und mein Gedächtnis den Augenblick festgehalten und somit existieren diese Bilder in mir, was manchmal besser ist, als eine digitale Version zu haben, die die Besonderheit eines Moments am Ende doch nicht vollumfänglich festhalten kann.
Oder, um es in den Worten von Sean O’Connel aus dem 2013 erschienen Film „The Secret Life of Walter Mitty“ zu sagen:
„Sometimes I don't [take a picture]. If I like a moment, for me, personally, I don't like to have the distraction of the camera. I just want to stay in it.“
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